SPD in Postmoor Mein Vater, Johann Feindt, ist am 10.
Januar 1910 dem „Sozialdemokratischen Verein für den 17. hannoverschen
Wahlkreis“ als Mitglied beigetreten und hat der SPD bis zu seinem
Lebensende angehört. Postmoor war immer aktiv in der Arbeiterbewegung
vertreten. Lt. Protokoll des Ortsvereins Buxtehude vom 30.09.1909
wurde erwähnt, daß es zwar noch nicht gelungen sei, in Horneburg
einen eigenen Ortsverein zu gründen, die dortigen Sozialdemokraten
aber doch aktiv seien. Als sozialdemokratische Tageszeitung wurde
das „Volksblatt für die Unterelbe“ verteilt. Nach dem 2. Weltkrieg las man in Postmoor
in vielen Häusern das „Hamburger Echo“. Ich selbst hatte es jahrelang
abonniert. Wilhelm Grewe und andere aus Postmoor haben es bis
zur ihrer Einstellung gelesen. Wiederholung einer Wahl Die Sozialdemokraten hatten ihre Vorschlagsliste
zur Gemeindewahl am 23. Februar 1919 nicht rechtzeitig eingereicht
und konnten daher nicht kandidieren. Um dennoch an der Wahl aktiv
teilnehmen zu können, mußten sie sich etwas einfallen lassen,
um die Wahl zunächst verhindern zu können. Und so erkundigten
sie sich in Stade, was sie wohl machen könnten. Von Stimmenthaltung,
-nur weiße Stimmzettel abgeben-, wurde geraten. Nun, das hätte
auch nicht viel gebracht; denn sie würden wohl kaum über eine
Mehrheit verfügen Sie mußten also ein Schlupfloch in der Wahlordnung
finden, aber wie? Da kam Johann Winkelmann auf die glorreiche
Idee und stellte fest, daß die Wahlurne wohl nicht die vorgeschriebenen
Maße ausweisen würde. Und so gingen sie dann mit einem Zollstock
bewappnet und beanstandeten mit Erfolg die Ordnungswidrigkeit.
Die Wahl wurde wiederholt, und die Sozialdemokraten kamen zu ihrem
Recht. Gemeindevorsteher Elmers soll zu seinen Freunden gesagt
haben: „De Bröder finnt schon wat, dat se wählt warn künnt“! Auf
Anordnung des Herrn Landrates wurde die Wahl für ungültig erklärt,
weil die Wahlvorschriften nicht eingehalten worden sind. Für die
Neuwahl der Gemeindevertretung wurde der 01.06.1919 festgesetzt.
Bei dieser Wahl wurden u. a. Jakob Bohlmann und Ludwig Reindel
aus Postmoor gewählt.
Arbeitergesangverein „Treue“ Mein Vater war Mitbegründer des 1912 ins
Leben gerufenen Arbeitergesangsvereins „Treue“. Während des 1.
Weltkrieges konnten die Sänger nicht aktiv sein. Erst nach dem
Krieg , am 06.08.1922, wurde der Verein bei Gastwirt Hinrich Stubbe.
Lange Straße wieder neu belebt. In der Mitgliederversammlung am
06.07.1923 (Inflation) wurde der Beitrag auf monatlich 1000 M
angehoben. Am 14.06.1925 fand in einer großen feierlichen
Veranstaltung die Fahnenweihe für die neu beschaffte Vereinsfahne
statt. Zahlreiche Gesangvereine aus der Umgebung nahmen daran
teil. Die Fahne trägt die Inschrift „Arbeitergesangverein Treue
Horneburg„. Mit allem Zubehör mußten 400 M aufgebracht werden.
Nach dem Krieg war die Fahne als Kriegsbeute vorübergehend in
England gelandet. Postmoorer waren in diesem Gesangverein stark
vertreten. Zu den Mitgliedern aus Postmoor zählten Jakob Bohlmann,
Johann und Johannes Feindt, Walter Nuske und Ludwig Reindel mit
Sohn. Mein Vater war bis zu seinem Ableben im Jahre 1952 Ehrenmitglied
dieses Sängervereins. Politische Auseinandersetzung Noch im gleichen Jahr wurde auch in Horneburg,
wie an vielen Orten, das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ und damit
eine Organisation zum Schutz gegen die Feinde der Republik von
links und rechts geschaffen. Die Horneburger Ortsgruppe zählte
75 Mitglieder; sein erster Vorsitzender war Hinrich Minck. Als
Kreisführer fungierte Lehrer Wilhelm Sietas, Stade. W. Sietas
war der Schwager von Johannes Brüggmann aus Postmoor. In Horneburg
hatte das Reichsbanner einen 20 Mann umfassendes Trommel- und
Pfeifenkorps. Da mein Bruder Johannes den Musikerberuf erlernt
hatte, war er als Ausbilder für dieses Korps gut geeignet.
Arbeiterbewegung im Widerstand Reichsbanner, Arbeitervereine und andere
republikanische Verbände schlossen sich 1931/32 zur „Eisernen
Front“ zusammen, um sich gegen die s. g. „Harzburger Front“ (NSDAP
und Deutschnationale) zu verteidigen. Eiserne Front! Wir weihen, was wir schmieden Am 11.02.1933 rief die „Eiserne Front“
die Bevölkerung in Stade und Umgebung zu einer „großen Demonstration
für Freiheit und gegen Knechtschaft“ auf. Nach dem Demonstrations-
und Fackelumzug in Stade sprach der Kreisvorsitzende des Reichsbanners,
Wilhelm Sietas. Noch im gleichen Jahr wurde Sietas aus dem Schuldienst
entlassen und in „Schutzhaft“ genommen. Schwere Zeiten brachen
für ihn und seine Familie herein. Er zog mit seiner Familie nach
Hamburg und betrieb dort ein Tabakwarengeschäft. Mit Postmoor
pflegte er neben seiner Verwandtschaft enge Kontakte zu seinen
früheren Genossen, insbesondere mit Zigarrenmacher Ludwig Reindel,
mit dem er auch geschäftlich zu tun hatte. Anfang 1945 ist er
als Offizier in Breslau gefallen; in einem Krieg, den er kommen
sah, aber leider nicht verhindern konnte! Machtergreifung durch Hitler Die Folgen des verloren gegangenen ersten
Weltkrieges, Inflation, Weltwirtschaftskrise und über sechs Millionen
Arbeitslose in Deutschland, brachten Adolf Hitler 1933 an die
Macht. Im Herbst 1933 führten die Nazis noch
eine Volksbefragung durch, man konnte sich mit Ja oder Nein zur
Reichsregierung bekennen. In Bliedersdorf sollen angeblich von 355
Wahlberechtigten 302 mit „Ja“ und 32 mit „Nein“ gestimmt haben.
Ernst Steffens hat mir einmal erzählt, daß sein Vater, Bürgermeister
Johann Steffens, das richtige Ergebnis gekannt hätte. Die politischen Ereignisse überstürzten
sich; Reichs- und Landtag wurden aufgelöst. Bei der Kommunalwahl
am 12. März 1933 kandidierten die Sozialdemokraten auf der Liste
„Dietrich Ropers“. Dieser gewählte Gemeinderat wurde von den Nazis
bereits am 04.10.1934 wieder aufgelöst und gemäß „Führerprinzip“
durch den vom Landrat berufenen Gemeindeältesten ersetzt. Ludwig
Reindel, Zigarrenmacher aus Postmoor und Christoph Schmidt wurden
von der weiteren Ratsarbeit ausgeschlossen. Der Hitlergruß
Ein weiterer Vorfall sollte ihm fast zum Verhängnis werden. Als Kohlenhändler gehörte er dem Vorstand des Kohlenhändlerverbandes in Stade an. Bei einer besonderen Veranstaltung des Verbandes wurde die Nationalhymne gesungen, hierzu gehörte auch das Horst-Wessellied "die Fahne hoch" usw. Beim Absingen dieses Liedes hatte man die rechte Hand zum Hitlergruß zu erheben. Da mein Vater diesen Gruß nicht erweisen wollte, verließ er die Veranstaltung und ging austreten. Linientreue Parteigenossen hielten es für eine Provokation und wollten es nicht durchgehen lassen. Vorstandsfreunde bezeugten allerdings einmütig seine Beteuerung, dass ihm unwohl geworden sei. Gott sei Dank, das hätte auch ins Auge gehen können! Im zweiten Weltkrieg wurde der Nazi-Ruf " Sieg Heil" zusätzlich zum Grußwort erhoben. Die lustige Ausfahrt Es war kurz nach der Machtübernahme durch
die Nazis, als sich Sangesbrüder des Arbeitergesangvereins „Treue“
mit ihren Frauen zu einem Ausflug nach Vierlanden aufmachten.
Viele Postmoorer waren mit von der Partie. Mit lustigen Weisen auf dem Schifferklavier,
begleitet von seinem Vater mit Trompete unterhielt Ludwig Reindel
aus Postmoor die muntere Gesellschaft. Elbaufwärts in Richtung
Hamburg, vorbei an Blankenese ging die lustige Fahrt in Richtung
Zielort. Kurz vor Altona beim Kühlhaus Union, gegenüber Köhlbrand,
erspähten sie ein französisches Kanonenboot, das dort an der Kai
festge-macht hatte. Wie von einer höheren Eingebung schmetterte
Ludwig Reindel dem Schiff mit seiner Trompete die Marseillaise,
die frz. Nationalhymne, entgegen. Plötzlich eskortierten zwei Polizeiboote
auf beiden Seiten den Ausflugsdampfer. Nach langer Wartezeit durfte der größte
Teil das Revier wieder verlassen. Nur die s. g. neun Rädelsführer,
der Trompeter Reindel, der Vorstand, der Schiffseigner mit seinem
Schiffer Peter Feindt wurden verhaftet. Das Schiff wurde an die
Kette gelegt und beschlagnahmt. Reindel hatte große Last, den
Unterschied zwischen der Internationale und der französischen
Nationalhymne klarzumachen. Von morgens 6 Uhr bis gegen Abend
wurden sie alle einzeln vernommen. Die bisher schon Heimgekehrten hatten
alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Verhafteten freizubekommen,
mit Erfolg. Mit großem Bahnhof wurden sie in Horneburg empfangen.
Sogar die Presse im Ausland hat von diesem lächerlichen, aber
amüsanten Vorfall berichtet.
Nachkriegszeit Nach dem Zusammenbruch des Hitlerreiches
mit all seinen katastrophalen Folgen galt es, die Wunden zu heilen
und alle Kraft in den Dienst des Wiederaufbaues zu stellen. Für
die Gemeindevertretung wurden von der Militärregierung unbescholtene
Bürger zur Bildung eines Gemeinderates berufen. Unter den 13 Männern der ersten Stunde
wurden auch die beiden Postmoorer: Johannes Feindt, *10. 03. 1904
und Wilhelm Winkelmann, * 09.04.1908 delegiert. Am 15. Sept. 1946
fand bereits die erste freie und direkte Wahl von Vertretern in
der Gemeinde Bliedersdorf statt. Neben der SPD kandidierten damals
noch Vertreter der NLP -Niedersächsische Landespartei -, die s.
g. Welfen. |
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