Hand- und Spanndienste

 

Naturaldienste, wie man sie nannte, waren eine alte deutsche Überlieferung. Die ersten Siedlungsgemeinschaften verfügten noch über kein ausgeprägtes Verwaltungs- und Abgabensystem; öffentliche Einrichtungen und Anlagen konnten daher nur durch gemeinsame Arbeit geschaffen und unterhalten werden.

Aus dieser Gemeinschaftshilfe sind die Hand- und Spanndienste hervorgegangen. Die Dienste mit Pferd und Wagen wurden Spanndienste, die mit der Hand eben Handdienste genannt.

Eine andere Art von Diensten waren die von den Landesherren kraft ihres Herrschaftsanspruches geforderten persönlichen Dienstleistungen zum Bau von Straßen, Befestigungsanlagen und dgl., die bisweilen zu den berüchtigten Fronleistungen ausarteten.

Infolge des Übergangs von der Natural- zur Geldwirtschaft wurden die Naturaldienste immer mehr von den Steuern und Abgaben verdrängt und verloren allmählich ihre Bedeutung.

In der Ratssitzung am 15.01.1927 wurde das vom Gemeindevorsteher Johann Steffens vorgeschlagene Statut für Hand- und Spanndienste usw. einstimmig angenommen.

Zum Jahreswechsel 1950/51 hatte es wegen der Hand- und Spanndienste wieder einmal Streit gegeben. Man einigte sich, „daß zu den Handdiensten arbeitslose Flüchtlinge mit herangezogen werden sollten, die durch Konto Wegebau bezahlt werden sollten“.

In Bliedersdorf wurden diese Dienste noch bis 1968 von den Bürgern verlangt. Da ein gerechter Einsatz zu Schwierigkeiten führte, kam es leider immer mehr zur Ungleichbehandlung. Die Willigen, wozu insbesondere auch die Postmoorer zählten, waren immer die Dummen, sie wurden immer häufiger zu Gemeindediensten herangezogen. Obwohl die Hand- und Spanndienste gesetzlich von den Bürgern verlangt werden konnten, wurden sie nach der Gemeindewahl 1968 abgeschafft, es hatte sich gezeigt, daß in den Jahren zuvor ein gerechter Einsatz nicht geleistet worden ist. Gemeinschaftsleistungen auf freiwilliger Basis dagegen, z. B. durch Feuerwehr, Vereine oder andere Gruppen, wurden weiterhin zum Wohle der Allgemeinheit durchgeführt. Ich denke da besonders an die Dorfverschönerungs-Wettbewerbe. An Aktionen wie z. B. Unrat sammeln, Freischneiden von Busch und Sträuchern an den Wirtschaftswegen, Pflanzaktionen (s. nächste Seite) usw. haben wir uns als Postmoorer immer beteiligt. Auch bei der Errichtung des Dorfgemeinschaftshauses waren die Postmoorer immer mit vorne weg.

Als besondere Hilfeleistung empfand ich immer im Winter das Freischaufeln der Straße nach Bliedersdorf, wenn das Dorf durch Schneeverwehungen eingeschlossen war. Ich erinnere mich noch an das Jahr 1958, am 26.Februar war Bliedersdorf von der Außenwelt abgeschnitten. Die Straße nach Bliedersdorf war unpassierbar geworden. Die Verwehungen hatten die Höhen und Tiefen der Straße eingeebnet, bis zu 3 m war der Schnee hoch. Kein Arzt oder Krankenwagen, keine Hebamme oder sonstige Helfer konnten mit dem Fahrzeug ins Dorf gelangen. Die Postmoorer waren wie gewohnt von dieser und die Bliedersdorfer von der anderen Seite im Einsatz. Als aber der Bürgermeister die Devise ausgab, aus Stade sollte ein schweres Gerät kommen, wurde in Bliedersdorf das Schaufeln eingestellt. Als Melder zwischen den Ortsteilen habe ich diese Nachricht den Postmoorern überbracht. Allerdings ohne Auswirkung!

Wilhelm Winkelmann gab unmißverständlich die Weisung: “Hier wird solange geschaufelt, bis Bliedersdorf frei ist.“ Ich bin dann wieder über die Äcker nach Bliedersdorf gestiefelt, um diese Antwort zu überbringen. Auch hier wurde dann weiter geschaufelt. Gott sei Dank, denn die schweren Räumfahrzeuge sind nie gekommen! Heute sind wir froh, daß wir die Straßenmeisterei des Landkreises bei uns im Dorf haben. Bei Einsätzen im Kreisgebiet müssen zunächst einmal die eigenen Straßenausfahrten frei und uneingeschränkt befahrbar sein!

 

Einladung zur Pflanzaktion

(Wieder einmal waren die Postmooraner beispielhaft für das Gemeinwohl in Aktion)


  Nächster Artikel: "Tücken der Sandgruben" Vorheriger Artikel: "Feuersbrunst und andere Katastrophen"
This document maintained by info@postmoor.de
Material Copyright © 1995 - 2013 Hans-Jürgen Feindt